17 Jan

„Der Zwischenfersensitz“

Neulich hatte ich in einem Seminar ein interessantes Gespräch mit einer Erzieherin, das ich hier gerne wiedergeben möchte. Es geht um den sogenannten „Zwischenfersensitz“ bei Kindern. Das bedeutet, dass das Kind am Boden sitzt, die Beine zu einem W abwinkelt und das Gesäß zwischen den Fersen positioniert.

A: Ich sehe immer öfter Kinder, die im Zwischenfersen sitzen. Was halten Sie davon?

M.D.: In der idealen motorischen Entwicklung kommt dieser Sitz nicht vor. Ich weiß allerdings, dass sehr viele Kinder so sitzen. Bestimmt haben Sie auch schon festgestellt, dass es nichts nützt, den Kindern zu sagen, dass sie sich „vernünftig“ hinsetzen sollen. Kurzfristig können sie vielleicht die Position verändern, fallen aber meistens nach kurzer Zeit in den Zwischenfersensitz zurück. Durch das wiederholte Auffordern für eine andere Sitzposition bekommen sie nur den Eindruck, „irgendetwas stimmt nicht mit mir“, es ist also besser, nicht permanent darauf hinzuweisen.

A: Stimmt, das habe ich auch schon bemerkt. Wenn ich die Kinder korrigiere, sitzen sie kurze Zeit später wieder so.

M.D.: Auch für eine konzentrierte feinmotorische Leistung ist es sinnvoll, die Kinder in dieser Position zu lassen, damit sie nicht ihre ganze Energie für Sitzkorrekturen verpulvern. Sinnvoller ist es, den Grund für diese Haltung zu finden.

A: Okay. Das heißt also, wenn ein Kind sich noch schwer tut mit z.B. malen oder Perlen auffädeln, lasse ich es einfach so sitzen?

M.D.: Ja genau. Denn das Kind bekommt durch den Zwischenfersensitz eine breitere Basis, sitzt dadurch stabiler. Weiterlesen

13 Jul

„Traktionsversuch“

Bei der Untersuchung nutzt der Arzt die Handgreifreaktion. Er fasst in die Hände und zieht das Baby aus der Rückenlage in die vertikale Sitzlage. Diesen Test nennt man Traktionsversuch ( lat. trahere = ziehen). Für den Arzt oder die Physiotherapeutin gibt dieser Test, neben weiteren Untersuchungen, Auskunft über den Entwicklungsstand des kindlichen Nervensystems. Dabei beobachtet der Untersucher, wie das Kind auf die Lageveränderung reagiert. Anfangs zeigen die Kinder eine Beugebewegung. Ab ungefähr sieben, acht Monaten, reagiert das Kind mit einem aktiven Impuls im Sinne des „Hochziehens“.

Der Traktionsversuch ist keine Turnübung

Ich beobachte, dass Eltern häufig diese Testung üben. Dafür ist sie aber nicht gedacht! Der Traktionsversuch ist keine Turnübung! Er ist eine Diagnosemethode. Auch in der Rückenschule lernt man, dass es ungünstig ist, sich gerade aufzusetzen. Warum sollte man es dann seinem Kind falsch beibringen?
Kinder kommen über den Vierfüßlerstand in den Seitsitz und dann in den Sitz. Meistens so um den 10 Monat.
Auch wenn Ihr Kinderarzt, mit der Reaktion Ihres Kindes auf den Traktionsversuch, nicht zufrieden ist, macht es keinen Sinn, es immer wieder zu üben. Viel hilfreicher ist es,  mit Ihrem Kind in Bauchlage, Rückenlage und Seitlage zu spielen und es möglichst wenig in den Autositz, die Wippe oder in Tragehilfen zu setzen. Durch das Spielen gegen die Schwerkraft kräftigt das Kind die Muskulatur. Es verbessert nicht nur die Rumpfmuskulatur sondern auch den nächsten Traktionsversuch.

09 Apr

„Dreirad – Laufrad“

Letztens im Park. Zwei junge Mütter unterhalten sich und unweigerlich muss ich dem Gespräch ein wenig lauschen. Die beiden erzählen von ihren Töchtern, jeweils zwei Jahre alt, die gerade gelernt haben, mit dem Laufrad zu fahren. Beide Mütter sind gleichermaßen stolz über die neu erworbene Fähigkeit ihrer Kleinen und natürlich begeistert, mit welchem Tempo die Kinder sich nun fortbewegen können.

Auch in meiner Praxis höre ich immer wieder, dass die Kinder vom Rutschauto oder Bobbycar zum Laufrad wechseln und dieses bereits mit eineinhalb Jahren fahren können. Natürlich sind die Eltern begeistert! Und ja, das Laufrad passt ganz wunderbar in unsere schnelle Zeit. Es ist eine geniale Erfindung!

Wann aber ist der richtige Zeitpunkt für diese „geniale Erfindung“?

Kaum ein Erwachsener hat noch so richtig viel Zeit – egal wofür – und mit dem Laufrad können die Kleinen einigermaßen mit dem Tempo der Großen mithalten. Außerdem kommen sie beim Spaziergang nicht auf die Idee, permanent anzuhalten, um ihre Umwelt zu erkunden.

Kinder, die zu Fuß gehen, bleiben dauernd stehen, um Schnecken oder Steine einzusammeln, in Pfützen zu springen oder einfach um stehen zu bleiben. Kinder, die mit dem Dreirad fahren, verhalten sich ähnlich, denn das Dreirad ist ein langsames Fortbewegungsmittel. Wie auch beim Gehen nehmen Kinder dabei die Umwelt intensiv wahr und wollen auch immer wieder mal stoppen, um die eine oder andere Überraschung zu erleben. Die Welt ist für ein Kind voller Wunder!

Mit dem Tempo, das ein Laufrad ermöglicht, wird diese Wahrnehmung der Umwelt unweigerlich eingeschränkt. Vielleicht können Sie sich an Ihre erste lange Wanderung erinnern, in einer Gegend, die Sie bereits gut kennen, und sich selbst sagen hören: „Wenn man geht, nimmt man das alles ganz anders wahr! Das… ist mir aus dem Auto noch nie aufgefallen.“

Dies bedeutet nicht, dass man Laufräder verdammen muss. Auch Laufräder sind ein Spielzeug, das Kinder lieben! Vielleicht stellt man sie den Kindern nur erst etwas später zur Verfügung? Doch lassen Sie mich die beiden Spielgeräte Laufrad und Dreirad einfach vergleichen.

Das Laufrad

Laufrad fahren ist einfach, vor allem, wenn das Kind die Abstoßbewegung der Beine bereits vom Bobbycar kennt. Ohne langes Üben können Kinder mit den Laufrädern beim Spaziergang mithalten, je schneller das Tempo, desto einfacher das Fahren.

Warum?
Nun, Sie kennen das sicher vom Radfahren! Wenn man sehr langsam fährt, wird es immer schwieriger, das Gleichgewicht zu halten. Zwei- bis dreijährige Kinder müssen erst lernen, das Gleichgewicht zu halten und können Geschwindigkeit weder einschätzen noch dosieren – das bedeutet, dass beim Fahren mit dem Laufrad das Gleichgewicht halten nur gelingt, wenn sie einigermaßen schnell fahren. DASS sie schnell fahren, können sie aber nicht bewusst erfassen!

Warum?
Die visuelle Wahrnehmung entwickelt sich am stärksten zwischen drei und sieben Jahren. Kinder vor dem dritten Lebensjahr können das Sehen noch nicht ausreichend mit den Bewegungen ihres Körpers koordinieren, außerdem können sie Entfernungen noch nicht sicher abschätzen. Beim schnell Fahren mit dem Laufrad bekommen sie so viele visuelle Eindrücke, dass es für die Kleinen unmöglich wird, diese zu verarbeiten – langsam fahren schaffen sie aber kaum.

Der Gleichgewichtssinn wird übrigens beim Laufrad fahren nur mäßig trainiert. Um das Gleichgewicht zu trainieren, ist  Roller fahren deutlich sinnvoller als Laufrad, da das Körpergewicht auf ein Bein verlagert werden muss.

Beim Laufrad fahren wird die Beinmuskulatur kaum gekräftigt, denn das Körpergewicht wird fast vollständig vom Sattel getragen.

Das Dreirad

Das Dreirad erfordert eine höhere Koordinationsleistung als das Bobbycar oder Laufrad. Geeignet ist das Dreirad für Kinder, die die Pedalen gut erreichen können. Dreirad fahren fördert die Koordination, während mit den Pedalen abwechselnd getreten werden muss, muss zeitgleich mit dem Lenker stabilisiert werden.

Das Dreirad fahren kräftigt die Muskulatur, allerdings nur, wenn das Kind selbständig fährt. Durch eine Schiebestange werden Kinder passiv und bewegungsarm.

Kinder, die Dreirad fahren können, können anschließend in der Regel ohne Probleme Laufrad fahren. Andersrum ist es nicht so. Kinder, die früh Laufrad fahren, haben meistens Schwierigkeiten mit dem Dreirad. Das zeigt, wie anspruchsvoll Dreirad fahren ist.

Vor dem Kauf von Fahrzeugen sollten Kinder viel zu Fuß unterwegs sein!

Bis ungefähr zweieinhalb Jahren sollten Kinder überwiegend laufen, damit sie ihre Umwelt erleben können. Genau darum geht es in den ersten Lebensjahren! Bilder im Gehirn zu speichern, damit sie später mit Vorstellungen operieren können. Vielleicht haben Sie auch mit ihren Fingern oder Gummibärchen zählen geübt, jetzt können sie mit den Zahlen auch ohne Gummibärchen rechnen. Bestimmt haben Sie früher auch Blätter, Äste, Früchte oder Blumen gesammelt und so die Natur, die Jahreszeiten, Gewichte und Größen kennen gelernt.

Kann das Kind gut und ausdauernd Dreirad fahren, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um ein Laufrad oder noch besser einen Roller zu besorgen. Roller und Laufrad bereiten dann gut auf das Fahrrad fahren vor.

Übrigens:

„In Deutschland besitzen mehr als 90% der 4 jährigen Kinder ein Fahrrad, obwohl sich Entwicklungspsychologen einig sind, dass Kinder in diesem Alter nicht in der Lage sind, die mit dem Radfahren verbundenen Anforderungen zu bewältigen. Gleichzeitig treten, lenken, bei hoher Geschwindigkeit schnell reagieren, bremsen, das seitliche Geschehen wahrnehmen und dabei nach vorne schauen – noch im späten Grundschulalter sind Kinder mit dem Fahrrad im Verkehr häufig überfordert“ (Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder.e.V.)

Vielleicht überdenken Sie noch einmal den Einsatz von Fahrzeugen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen dafür Denkanstöße geben.

Wenn Sie noch Fragen zum Thema haben, schreiben Sie mir gerne!

26 Jan

„Fingerspiele“

Die Motorik, die Geschicklichkeit der Hände und die Entwicklung der Sprache stehen im engen Zusammenhang. Im Gehirn liegen die Zentren, die für die Mund- und Handfunkktion zuständig sind, nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig.

So können Sie bei Babys beobachten, dass sich das Lautieren verändert, wenn die Kinder in den Handstütz kommen. Aber auch schon vor dem sechsten Lebensmonat kann man den Zusammenhang zwischen Händen und Mund beobachten. Massieren Sie die Hände Ihres Babys, reiben Sie die Händchen aneinander und beobachten Sie, was passiert.

Toll zur Förderung sind auch Fingerspiele. Passend für jedes Alter gibt es eine große Auswahl. Vielleicht machen Sie sich einen kleinen Spickzettel, den Sie sich griffbereit hinlegen oder aufhängen?!

Eins, zwei, drei, vier, fünf Finger gehen auf die Reise.
Der Daumen, der steigt in den Omnibus.
Der Zeigefinger geht zu Fuß.
Der Mittelfinger fährt mit der Eisenbahn.
Der Ringfinger schwimmt auf einem Kahn.
Ins Flugzeug steigt der kleine Mann, schaut sich die Welt von oben an.

Bewegungen zum Fingerspiel:
Die Finger einer Hand abzählen und die Geschichte erzählen.

(Verfasser: mir unbekannt, da mündlich überliefert)

 

Das ist der Daumen,
der schüttelt die Pflaumen,
der hebt sie auf,
der trägt sie nach Haus
und der Kleine isst sie alle auf.

(Verfasser: mir unbekannt, da mündlich überliefert)

 

Himpelchen und Pimpelchen stiegen auf einen Berg.
Himpelchen war ein Heinzelmann und
Pimpelchen ein Zwerg.
Sie blieben lange dort oben sitzen
und wackelten mit ihren Zipfelmützen.
Doch nach dreiunddreißig Wochen
sind sie in den Berg gekrochen.
Da schlafen sie in guter Ruh.
Seid mal still und hör gut zu!

Bewegungen zum Fingerspiel:
Ein Daumen stellt Himpelchen dar.
Der andere ist Pimpelchen.
Sie „steigen“ auf den Berg (Aufwärtsbewegung der Daumen) .
Sie „wackeln“ mit den Zipfelmützen (Wackeln mit den Daumen).
Sie „kriechen in den Berg“ (Daumen in der Faust verstecken).
Bei „Seid mal still und hör gut zu!“ (Fäuste an das Ohr halten und Schlafgeräusche wahrnehmen).

(Verfasser: mir unbekannt, da mündlich überliefert)

 

Durch Fingerspiele werden das taktile System, die Tiefensensibiliät, die Fingerbeweglichkeit und die Auge-Hand-Koordination geschult. Außerdem wird das Gefühl für Rhythmus vermittelt.

Alle Teilbereiche sind unter anderem für den Erwerb der Fähigkeit von Lesen und Schreiben von Bedeutung. Fingerspiele fördern die Bindung. Und das Wichtigste: Sie machen Spaß! Besonders spannend sind sie, wenn sie variiert werden. Leise, laut, tief oder hoch, langsam oder schnell erzählt.

Hier geht’s zum Leitfaden!

27 Okt

„Erste Fußgymnastik“

Mit etwa drei Monaten hat ein Säugling  in der Rückenlage seine Mitte gefunden. Dadurch kann er seine Arme und Beine vor dem Körper stabil halten. Erstmals hält das Baby die Beine in Außenrotation (Auswärtsdrehung) und Abdduktion (Abspreizen). Damit die Beine nicht auseinanderfallen, müssen die Muskelketten der Außenrotatoren und Abduktoren im Hüftgelenk zusammenarbeiten. Ab diesem Moment wird das Greifen mit den Füßen möglich.

Bevor die Füße die Stützfunktion im Stehen übernehmen, sind sie erst einmal Greiforgan. Mit den Füßen können Babys Gegenstände festhalten und zu den Händen oder in den Mund führen. Mit 3-4 Monaten stehen Vorfuß und Ferse in einer Linie und die volle Supination (Hebung des inneren Fußrandes bei gleichzeitig Senkung des äußeren) wird möglich.

Wenn Anna an ihre Füße greift, krallen sich die Zehen. Probieren sie es doch mal aus: Krallen Sie die Zehen, merken Sie, wie die Fußsohle sich anspannt? Dieses Greiftraining kräftigt die Fußmuskeln des Längs- und Quergewölbes. Diese frühen Bewegungsmuster sind für die spätere Fußentwicklung sehr wichtig. Deshalb ist es sinnvoll, Babys immer wieder zu ermuntern, die Füße in die Hände zu nehmen. Und wenn sie es so schön machen, wie Anna in dem Video, trainieren sie nicht nur die Fußmuskeln, sondern auch die Bauchmuskulatur. Vielleicht schauen Sie sich das Video nochmal an und achten auf Annas Popo. Er hebt richtig von der Unterlage ab. Anna macht es wie im Lehrbuch. Sie verlagert das Gewicht auf den Schultergürtel. Kennen Sie die Übung aus dem Sport? Ganz schön anstrengend, oder?

Nochmal zurück zum Fußgewölbe. Trotz allen Trainings in Rückenlage, Seitlage oder Bauchlage ist es völlig normal, dass, wenn sich Ihr Kind anfangs hinstellt, das Längsgewölbe noch nicht sichtbar ist.

 

 

Jetzt muss die Muskulatur im Stehen und Gehen noch weiter trainiert werden. Man spricht deshalb auch von einem physiologischen Knickfuß. Wenn Ihr Kind frei läuft, ist es sinnvoll, es über viele weiche Untergründe barfuß laufen zu lassen. Das kräftigt wunderbar die Fußmuskulatur und beugt späteren Fußfehlstellungen vor.

Weitere Informationen zum Thema „Laufen“ finden Sie in meinem Leitfaden!

03 Sep

„alleine“

Haben Sie sich das Video angeschaut? War es für Sie auch so schwer, dem Mädchen zu zusehen, ohne ihm helfen zu können? Doch um was hätte man dieses Kind gebracht, wenn man eingegriffen hätte!

Haben Sie das Strahlen und den Stolz gesehen? Wie oft greifen wir zu früh ein und bringen unsere Kinder um ihre Erfolgserlebnisse. Häufig haben wir es eilig, alles muss schnell gehen oder wir sehen, wie sich die Kleinen abmühen und glauben, wir könnten es ihnen viel einfacher machen, indem wir ihnen helfen.

In meinem letzten Urlaub habe ich folgende Szene am Pool beobachtet: ein etwa zweijähriges Mädchen kommt mit ihrer Mutter aus dem Wasser. Sie hat eine Schwimmwindel an. Die Mutter übergibt das Kind an ihren Mann, der auf dem Liegestuhl liegt und geht nochmal ins Wasser. Der Papa begrüßt das Kind liebevoll und schlägt vor, die nasse Windel auszuziehen. Das Mädchen geht ein Stück weg, dreht sich mit dem Rücken zum Vater und meint: „alleine“. Der Vater schlägt mehrmals vor, dass er ihr helfen könnte, die Tochter wiederholt immer wieder „alleine“. Für das kleine Mädchen ist es sehr mühsam und die nasse Windel lässt sich nur  zentimeterweise bewegen. Sie kämpft. Nach einigen Versuchen steht der Vater von seiner Liege auf und zieht der Tochter die Windel aus.

Ich glaube, jeder von uns kennt solche und ähnliche Situationen, oder?! Oft muss es schnell gehen… aber manchmal vielleicht auch nicht?!

Oftmals – auf lange Sicht betrachtet – sind wir schneller, wenn wir langsamer sind. Geben wir unseren Kindern die Chance auf Entwicklung – in genau ihrem individuellen Tempo.

Hier noch ein tolles Zitat von Maria Montessori:

“ Hilf mir, es selbst zu tun. zeige mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es alleine tun. Hab Geduld meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir Fehler und Anstrengung zu, denn daraus kann ich lernen.“

Hier geht’s zum Leitfaden!

22 Jul

„Ein Plädoyer für die Seitlage“

Untersuchungen haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Schlafstellung und dem plötzlichen Kindstod gibt. Zum Schlafen wird in den ersten Lebensmonaten deshalb die Rückenlage empfohlen.

In den ersten Lebenswochen kann ein Baby noch nicht alleine seine Position verändern. Also sich zum Beispiel vom Rücken in die Bauchlage drehen. Es ist darauf angewiesen, dass ein Erwachsener es lagert.

Ich beobachte, dass viele Eltern ihre Babys aber auch in wachen Phasen überwiegend in Rückenlage legen.

In wachen Phasen sind aber sowohl die Seitlage wie auch die Bauchlage nicht nur möglich, sondern auch wichtig für die Entwicklung.

Vorteile der Seitlage:

In den ersten Lebenswochen kann das Baby in Rückenlage den Kopf  noch nicht gegen die Schwerkraft in der Mitte halten. Er fällt zu einer Seite. Häufig entstehen dadurch Asymmetrien. Das Köpfchen verformt sich, was später zu Problemen im Kiefer führen kann. Aber nicht nur das, auch wird die Fechterstellung (ATNR) verstärkt, statt von der Willkürmotorik überlagert zu werden.

In Seitlage liegt der Kopf in der Mitte. Er ist nicht zu einer Seite gedreht. Dadurch bekommen die weichen Schädelplatten andere Druckbelastungen und die Fechterstellung, die durch die Drehung des Kopfes ausgelöst wird, wird nicht trainiert.

Der Weg, die Händchen in den Mund zu stecken, will anfangs noch geübt werden. In Rückenlage muss das Baby die Arme gegen die Schwerkraft heben. In den ersten Lebenswochen ist das sehr mühsam. Überlegen Sie mal, wie schwierig es ist,  in Rückenlage ein Buch zu lesen…. In Seitlage ist es anfangs viel leichter, die Hand-Hand und Hand-Mund Koordination zu üben. Dann klappt es bestimmt auch bald in Rückenlage gegen die Schwerkraft.

Das Baby hat mal einen ganz anderen Ausblick, als sich die Decke anzuschauen.

Die Seitlage ist eine gute Übung für die erste große Bewegung: Die Drehung von Rückenlage in Seitlage bzw dann etwas später bis in Bauchlage.

 

Gründe genug, um Ihr Baby auch in Seitlage zu lagern, oder?  Vielleicht mag es anfangs die Seitlage nicht so gerne, dann fangen sie mit kurzen Momenten an. Bestimmt hilft es auch, wenn Sie sich dazu legen. Wenn Ihr Kind seine Position verändern kann, brauchen Sie es natürlich nicht mehr zu lagern. Dann sucht es sich alleine die Position aus, die ihm gerade gefällt.

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23 Apr

„Tragetuch & Co“ Teil 2

Nach einem sehr interessanten Gespräch ( siehe Teil 1) mit Anita ( Name geändert), einer jungen Mutter,  zum Thema Tragetuch tauchten noch weitere Fragen auf. Das Tragetuch, beliebt bei jungen Müttern und von  Kinder-PhysiotherapeutInnen kritisch beobachtet – was sollte man darüber wissen?

Anita: Hallo, ich habe mich schon gefreut, noch mehr über das Tragetuch zu hören!

Mareike Dornheim: Das freut mich! Haben Sie sich nochmal Gedanken gemacht über unser letztes Gespräch?

A: Ja. Ich habe festgestellt, dass ich mit meiner Tochter Lena (Name geändert), sie ist jetzt knapp 11 Wochen, richtig gut kommunizieren kann. Ich habe sie mir auf den Bauch gelegt und mit ihr erzählt. Ich habe den Eindruck, sie hat genau zugehört. So süß! Und danach ist sie auch sehr zufrieden, so dass ich ein bisschen Zeit für den Haushalt habe.

M.D.: Das hört sich ja wunderbar an.

A: Ja, ich mache jetzt Sachen nicht mehr so halbherzig. Wenn ich bei ihr bin, bin ich ganz da und dann gibt es auch immer wieder Zeiten, in denen ich Luft habe, etwas anders zu tun. Aber Sie wollten mir ja noch etwas über die Traghilfen erzählen….

Tragetuch: Zu früh in der aufrechten Sitzhaltung

M.D.: Die Kinder werden meistens aufrecht getragen, auch wenn sie diese Haltung noch nicht stabilisieren können. Die Tragehilfe unterstützt das Baby, aber zusätzlich arbeitet es auch mit. Für diese  Stabilisation nutzt das Kind frühkindliche Reaktionen (insbesondere des TLR und der Fechterstellung) , die aber eigentlich vom Großhirn überlagert werden sollten (mehr dazu in meinem Blog „Plädoyer für die Seitenlage“ oder in dem Buch „Flügel und Wurzeln“ von Dorothea Beigel oder „Greifen und Begreifen“ von Sally Goddard). Wenn die Kinder alleine in den Sitz kommen, ist das aufrechte Tragen kein Problem. Die frühkindlichen Reaktionen sind dann nicht mehr bestimmend.

A: TLR und Fechterstellung… habe ich vorher noch nie gehört.

M.D.: Das ist nicht schlimm. Das sind ja auch Fachbegriffe. Zwei Ausbilderinnen einer Trageschule , die ich letztens gesprochen habe, kannten diese frühkindlichen Reaktionen auch nicht. Um aber zu erklären, warum das aufrechte Tragen so ungünstig ist, muss ich sie verwenden. Wenn diese beiden frühkindlichen Reaktionen durch die aufrechte Haltung trainiert, statt überlagert zu werden, können Schwierigkeiten z. B. Rückenschmerzen, auffälliges Sozialverhalten und Schulschwierigkeiten trotz guter Intelligenz auftreten. Ausgelöst werden diese beiden frühkindlichen Reaktionen durch die Kopfstellung.  Der TLR durch die Reclination bzw. Inclination ( Beugung des Kopfes nach hinten Richtung Rücken bzw. nach vorne Richtung Brust), die Fechterstellung durch die Drehung des Kopfes. 

A: Ganz schön komplex dieses Thema! Komisch, dass ich davon noch nichts gehört habe.

Frühkindliche Reaktionen – Fachwissen von Kinderärzten, Kinder-Physiotherapeuten und Ergotherapeuten

M.D.:  Naja, das ist Fachwissen von Kinderärzten, Kinder-Physiotherapeuten und Ergotherapeuten.

A: Ah… ich verstehe.

M.D.: Zunächst scheint das Tragen in der Tragehilfe gut. Probleme treten meistens erst später auf. 

A: Was meinen Sie mit später?

M.D.: Wenn die Kinder älter sind. Meistens werden die Kinder mit Restreaktionen, also Kinder bei denen man die frühkindlichen Reaktionen noch auslösen kann, erst im Kindergarten oder in der Schule auffällig.

A: Wieso das denn?

M.D.: Naja, je älter die Kinder werden, desto komplexer werden die Anforderungen. In der Schule müssen sie sitzen bleiben, zuhören, die Stimme des Lehrers aus dem Geräuschpegel heraus filtern, den Stift halten, in der Linie bleiben, das Gelernte speichern….

A: Oh ja, das sind ganz schön viele Dinge gleichzeitig.

M.D.: Ja und wenn das Kind noch Restreaktionen zeigt, z.B. den TLR, dann ist es für das Kind schwierig, gerade sitzen zu bleiben. Das Sitzen ist nicht automatisiert und  das Kind braucht viel Energie für das Sitzen. Dadurch fehlt die Kapazität für Lerninhalte und das Kind bleibt unter seinen Möglichkeiten.

A: Das heißt, es ist wichtig, dass diese frühkindlichen Reaktionen überlagert werden. Sonst hat das Kind schlechtere Noten als es der Auffassungsgabe des Kindes entspricht.

M.D.: Genau. Und in Tragehilfen werden zwei dieser frühkindlichen Reaktionen eher verstärkt als überlagert.

Die beste Unterstützung für Ihr Kind

A: Und wie kann ich mein Kind dabei unterstützen?

M.D.: Indem Sie Ihrem Kind möglichst viel Zeit und Gelegenheiten bieten, sich gegen die Schwerkraft zu organisieren. Also einfach viel flach hinlegen. Dann kann es in Bauchlage üben, den Kopf gegen die Schwerkraft zu halten. Ihre Tochter übt bestimmt schon den Unterarmstütz und in Rückenlage fasst Lena an die Knie, oder?

A: Ja, genau. Das macht Lena seit ein paar Tagen.

M.D.: Super. Genau dadurch werden die frühkindlichen Reaktionen überlagert. Durch diese Bewegungen kommt es zu einer Nackenstreckung, die so in der Tragehilfe nicht möglich ist.

A: Stimmt, in der Tragehilfe ist der Kopf oft zu einer Seite gedreht oder er ist ein bisschen nach vorne oder hinten gebeugt.

M.D.: Genau und das ist das Problem. Durch die Kopfdrehung verstärkt sich die Fechterstellung, durch die Beugung der TLR.

A: Gut zu wissen! Für mich ist das alles sehr einleuchtend. 

M.D.:  Das freut mich. Wenn Sie noch Fragen haben, beantworte ich Sie Ihnen gerne bei unserem nächsten Treffen.

A: Super! Vielen Dank!

 

24 Mrz

„Tragetuch & Co“ Teil 1

Tragetuch ja oder nein? Diese Frage bekomme ich in meiner Praxis sehr oft gestellt. Kürzlich hat sich folgendes Gespräch mit einer jungen Mutter ergeben:

 Anita: Ich habe von meiner Hebamme eine Tragehilfe empfohlen bekommen. Was meinen Sie dazu? Welche Tragehilfe würden Sie mir empfehlen?

Mareike Dornheim: Hm…..ich, als Kinder Physiotherapeutin stehe sowohl Tragetücher als auch alle anderen Tragehilfen eher skeptisch gegenüber.

A: Oh…! Sie sind die Erste, die ich höre, die nicht begeistert von Tragehilfen sind. Was spricht denn dagegen?

M.D.: Ich glaube, Sie können sehr lange suchen, bis Sie eine Kinder Physiotherapeutin finden, die Tragehilfen sinnvoll findet.

A: Ich sehe halt viele Mütter, die tragen. Und da dachte ich, dass ist gut?!?

M.D.: Tragehilfen sind ja auch sehr praktisch. Sie passen sehr gut in unsere schnelllebige Zeit. Wenn ich Eltern frage, wann sie Tragehilfen verwenden, erzählen sie mir: „Wenn ich die Hände frei haben möchte“. Das sind die verschiedensten Situationen zum Beispiel, wenn sie den Haushalt machen, wenn sie einkaufen oder mit dem Hund spazierengehen, wenn sie auf Festen unterwegs sind…..

A: Genau, das ist doch dann auch super!

M.D.: Stimmt! Aber bin ich dann im Kontakt mit meinem Kind? Ja, es hängt an mir, aber bedeutet Kontakt nicht etwas ganz anderes? Wenn Sie abends auf dem Sofa mit Ihrem Mann kuscheln wollen, er aber begeistert bei der Sportschau mitfiebert und, wenn es gut läuft, immer mal wieder gedankenverloren über Ihren Kopf streichelt, wie fühlt sich das an?

A: Naja, nicht so wirklich gut…

Tragehilfe: Stärkung der persönlichen Bindung?

M.D.: Befürworter der Tragehilfen argumentieren mit einer besseren Bindung. Körperberührung können „nährend“ erlebt werden, sie können ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und viele positive Reaktionen auslösen. Dafür brauchen aber die beiden Personen, die in Kontakt treten eine energetische Verbindung. Der Mann auf dem Sofa, der seine Frau mechanisch über den Kopf streichelt, ist nicht präsent. Es entsteht keine energetische Verbindung.

A: Das macht mich jetzt nachdenklich.

M.D.: Das freut mich. Ich finde es gut, sich darüber Gedanken zu machen, was man tut. Wenn ein Kind in der Tragehilfe ist und die Mutter den Haushalt macht, wird keine energetische Verbindung entstehen, das hat nichts mit Bindung zu tun. Dipl. Psych.Thomas Harms schreibt in seinem Buch Emotionelle Erste Hilfe „So gesehen können wir uns bei jedem körperlichen Dialog zwischen zwei Menschen die Frage stellen, ob die erfahrende körperliche Stimulation uns im Inneren bewegt oder ob sie uns kalt lässt. Oder schlimmer noch: Löst sie sogar eine Reaktion von Stress und unlustvollen Gefühlen in uns aus?“

A. Hm…, das habe ich verstanden. Vielleicht ist es besser das Baby auf dem Arm zu tragen, es anzuschauen, mit ihm zu erzählen oder zu singen.

M.D.: Ja, genau. Kinder müssen getragen werden, sanft gewiegt und präsente Eltern haben, die nicht in Gedanken ganz woanders sind. Denn Kinder haben ganz feine Antennen. Das ist für viele Eltern sehr schwierig, weil es einfach so viel zu tun gibt.

A: Naja, es gibt aber auch echt so viel zu erledigen.

M.D.: Ja, ich weiß. Aber was ist denn wirklich wichtig?

A: Das es meinem Kind gut geht!

M.D.: Genau! Die Antwort bekomme ich von allen Eltern. Und dafür brauchen Kinder Eltern, die wirklich da sind. Nicht nur körperlich! Kinder können den Galopp der Eltern nicht mitgehen. Das Leben ändert sich mit Baby komplett. Verlangsamen ist das Zauberwort für ein Leben mit Kind.

A: Verlangsamen…. das hört sich alles sehr logisch für mich an.

M.D.: Ich möchte nochmal auf die Tragehilfen zurückkommen. Mit Tragtuch und Co können Sie den Alltag eigentlich wie „mit ohne Kind“ gestalten. Sehr praktisch und passend für unsere schnelllebige Zeit.

A: Stimmt, dass es für eine gute Bindung etwas mehr braucht, darüber habe ich mir vorher gar keine Gedanken gemacht.

M.D.: Naja, es wird ja in den Medien auch nur über die positiven Eigenschaften der Tragehilfen geschrieben.

A: Gibt es denn noch mehr, was ich bedenken sollte?

M.D.: Ja, aber vielleicht reicht es für heute und bei unserem nächsten Treffen erzähle ich Ihnen mehr… Fortsetzung folgt!

A: Ok, da bin ich gespannt!

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08 Jan

„…so wichtig für das ganze Leben!“

Letztens war ich auf einem Geburtstag eingeladen. Unter den Gästen war auch ein 3,5 Monat altes Mädchen. Ich habe mich mit den Eltern unterhalten, die ich flüchtig kenne und natürlich auch einen Blick in den Kinderwagen geworfen. Anna war gerade aufgewacht und strahlte mich mit ihren Augen an. Die Kinder Physiotherapeutin in mir sah sofort eine leichte Asymmetrie.

Die Nase zeigt nicht gerade zur Decke, sondern der Kopf ist ein wenig nach rechts gedreht. Außerdem ist der Abstand vom linken Ohr zur linken Schulter kleiner als auf der rechten Seite. Anna hält Spielzeug mit der rechten Hand fest, links fällt es ihr deutlich schwerer. Auch bewegt sie das rechte Bein höher Richtung Schulter als das linke. Den Eltern ist die bevorzugte Seite von Anna noch nicht aufgefallen.

Eltern sind so verliebt in ihre Kinder, dass ihnen die bevorzugte Seite ihres Kindes oft nicht auffällt!

Als ich die Eltern darauf aufmerksam mache, gucken sie sich die Fotos von Anna auf dem Handy an. Und tatsächlich: Anna hat den Kopf auf fast allen Fotos ein kleines bisschen nach rechts gedreht und links geneigt.

Was ist daran so schlimm?

Diese kleine Asymmetrie kann Konsequenzen für das ganze Leben haben. In der Regel wachsen sich diese Asymmetrien nicht einfach aus. Auch wenn das immer wieder – sogar von Fachleuten – behauptet wird. In der Regel zieht sich die Asymmetrie durch die gesamte motorische Entwicklung und bietet damit für die weitere Entwicklung ein wackeliges Fundament.

Häufig zeigen diese Kinder kein wechselseitiges Robben, sondern ziehen sich mit Belastung auf einer Seite vorwärts, ihnen fällt die Überkreuzung der Mittellinie schwer, was zum Beispiel dazu führt, dass ihnen „das Schreiben lernen“ schwer fällt. Außerdem kann die Ausbildung der Lateralität (Seitigkeit) erschwert sein, wodurch sich die Ausbildung der Händigkeit, eines dominaten Auges und Ohres verzögert. Das widerum hat negative Auswirkungen auf das Schreiben und Rechnen lernen wie verschiedenste Forscher (A.Tomatis, Nancy E. ÒDell, P.A. Cook, Jean Ayres) betonen. Und genau das kann ich, aus meiner Erfahrung, ebenfalls bestätigen.

Wenn ich Grundschulkinder, die Schwierigkeiten in der Schule haben, begleite, stelle ich immer wieder fest, dass ihr Fundament wackelig ist. Sie sind nicht „dumm“, sondern ihre motorische Entwicklung bis zum freien Laufen war qualitativ nicht ausreichend. Am Boden zu rollen, ohne die Richtung zu verlieren, fällt ihnen häufig schwer, genauso wie das koordinierte Robben oder Krabbeln.

Es wäre für alle Kinder so viel leichter, wenn sie mit drei Monaten ihre Mitte gefunden hätten! Es lohnt sich also, früh zu einer erfahrenen Kinder-Physiotherapeutin zu gehen. Bei Babys reicht manchmal schon eine Behandlung aus, sonst sind wenige Behandlungen notwendig. Dadurch können jahrelange Ergotherapie im Kindergartenalter und Schulalter sowie Schulfrust verhindert werden.

Mit etwa drei Monaten sollte Ihr Baby seinen Kopf in der Mitte halten können!

 

Vielleicht gucken Sie Ihren Säugling nochmal genau an. Ist der Kopf wirklich in der Mitte? Oder ist er immer wieder ein kleines bisschen zur selben Seite gedreht? Ist der Abstand vom linken Ohr zur linken Schulter genauso groß wie auf der rechten Seite? Wenn Ihr Baby drei Monate oder älter ist und es den Kopf nicht in der Mitte halten kann, sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Kinderarzt.

Sie möchten mehr über die kindliche Entwicklung und wie wir unsere Kinder bestens unterstützen können, erfahren? Hier geht es zum Leitfaden!

 

29 Okt

„Hand – Mund Koordination“

Vor einiger Zeit war Ben (Name geändert), 10 Wochen, mit seiner Mutter zur Physiotherapie bei mir. Ben greift noch nicht. Seine Mutter macht sich große Sorgen, dass mit ihm etwas nicht stimmt.

Ben ist gut gelaunt. Er kann den Kopf kurzfristig in Rückenlage in der Mitte halten.  Der Rumpf ist nicht gerade. Dann passiert es wieder – beim Versuch die Mitte zu finden, schießt er über das Ziel hinaus und kippt auf die Seite.

Ich unterstütze ihn mit einer Decke.

 

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Die Decke gibt ihm Stabilität. Ben muss jetzt nicht mehr um eine sichere Position kämpfen. Er wird deutlich ruhiger.

 

Ich singe ihm ein Begrüßungslied, gehe dabei mit meinem Gesicht näher an ihn ran und er streckt seine Arme in meine Richtung. Neugierig schaut er mich an. Das Lied hat ihm gefallen und ich wiederhole es nochmal. Ben strahlt mich an und würde mir gerne meine Nase klauen.

 

Seine Händchen sind geöffnet, sie zeigen keine Handgreifreaktion mehr. Ich biete ihm einen Spielring an und er greift zu. Beim zweiten Versuch erwischt er ihn. Ich helfe ein kleines bisschen, indem ich den Ring ein wenig mithalte. Nach ein paar Versuchen findet der Ring den Weg in den Mund. Jetzt untersucht der Mund den Ring genau. Meine helfende Hand braucht er dabei nicht mehr. Ich lasse ihm Zeit, den Ring zu erkunden. Er fällt ihm aus der Hand. Ben schaut sich um. Wo ist das Spielzeug? Seine Augen wandern in die Richtung, wo das Geräusch ertönt, dass der Ring beim Fallen gemacht hat. Ich helfe ihm, halte den Ring wieder in seine Nähe. Er greift wieder zu. Braucht ein paar Versuche, aber dann – ab in den Mund.

Bens Mutter ist ganz erstaunt. Zu Hause hat sie ihm verschiedene Rasseln angeboten, aber keine hat er festgehalten. Im Gespräch wird klar, dass sie ihm zu früh und zu schwere Rasseln angeboten hat. Ben fehlt noch ein wenig Stabilität. Er braucht noch ein wenig Zeit, um seinen Körperschwerpunkt auszubalancieren.

In den ersten Wochen brauchen Babys kein Spielzeug. Da sind die Bezugspersonen mit ihren Gesichtern, Fingern und Stimmen viel interessanter.

Denn die Babys sind erstmal damit beschäftigt, eine stabile Position am Boden zu erlangen. Gar nicht so einfach im Vergleich zu der Schwerelosigkeit in Mamas Bauch. Jetzt geht es darum die Mitte zu finden. Immer wieder kippt es auf die eine oder andere Seite. Tagelang versucht das Kind sich auszubalancieren, um endlich in die Mittelposition zu kommen.

Mit circa 3 Monaten ist es erfolgreich und kann den Kopf und den Rumpf in der Mitte halten. Es hat sich eine „Grund-Lage“ geschaffen. Eine sichere Ruheposition. Jetzt kann es sich auch auf Spielzeug konzentrieren und danach greifen.

 

Anfangs sind leichte Spielsachen gefragt, wie der erste Ring oder ein Seidentuch. Nach ein bisschen Übung können die Gegenstände auch schwerer werden.

 

 

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31 Jul

„Vom Plumpsen zur Drehung“

Können Sie sich noch an Ihren Biologieunterricht in der Schule erinnern? Bestimmt!

Das ist die Zelle mit ihren Fortsätzen. Diese Fortsätze heißen Dendriten (griechischen dendrit = der Baum). An ihren Enden befinden sich Synapsen (griech. = zusammen). Über die Synapsen werden Impulse an die nächste Zelle weitergeleitet. Wenn diese Verbindung häufig genutzt wird, baut sie sich zur „Autobahn“ aus. Wenn sie wenig genutzt wird, ist es irgendwann nur noch ein „Feldweg“.

Das ist sehr vereinfacht dargestellt, in Wirklichkeit sind es sehr komplexe Vorgänge, die im Gehirn ablaufen, doch grundsätzlich kann man dieses Bild von Feldweg und Autobahn durchaus verwenden.

 

Wiederholen ist keine „Dummheit“

Wenn ein Kind Spaß hat, immer wieder die gleiche Handlung durchzuführen, ist es für sein Gehirn förderlich. Es lernt! Es kann sich erinnern und diese Erinnerungen mit anderen Erfahrungen verknüpfen. Dadurch lernt es , sinnvoll zu handeln.

 

Zeit nehmen, Zeit geben, Zeit haben

Ein  Kind ist fast ständig damit beschäftigt, zu üben. Bei Neugeborenen sieht anfangs Vieles unkoordiniert und zufällig aus. Aber bald kann man erkennen, dass eine „aus Versehen“ gelungenen Bewegung immer wieder wiederholt wird, bis sie perfektioniert ist.  So wird zum Beispiel aus dem zur Seite plumsen ein Drehen von Rückenlage zur Seitlage, bis später die Drehung auch bis in die Bauchlage gelingt.

Bei älteren Kindern kann das dauernde Wiederholen manchmal nerven oder auch anstrengend sein. Wenn das Kind gefühlt 100 mal die Treppe hoch klettern, die Erbse mit der Gabel aufpieksen oder den Schuh anziehen will, kann es durchaus sein, dass wir Erwachsene kurz die Nerven verlieren.

Wenn Sie Kinder aber genau beobachten, entdecken Sie, dass das Wiederholen nicht stereotyp erfolgt, sondern immer wieder kleine Veränderungen eingebaut werden. Diese Veränderungen zeigen an, dass eine Handlung zur Perfektion geführt wird und sie sind sehr spannend zu beobachten!

Sie möchten mehr über die kindliche Entwicklung und wie wir unsere Kinder bestens unterstützen können, erfahren? Hier geht es zum Leitfaden!

12 Feb

„Tränen lügen nicht“

Babys sind total süß. Sie haben einen großen Einfluss auf uns. Kommt so ein kleines Wesen in einen Raum, zieht es alle Blicke auf sich. Kaum jemand kann es ignorieren.

Babys können aber auch heftig weinen. Laut, ausdauernd und zu unmöglichen Zeiten. Die Eltern können es kaum ertragen, es zerreißt ihnen das Herz. Oft sind sie an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Obwohl sie alles versuchen, scheint das kleine Wesen einfach nicht zu beruhigen zu sein. Die Windel wird gewechselt, der Nucki in den Mund gesteckt, vielleicht hat das Kind doch Hunger? Also Brust auspacken, hm…. und dann ist der Hunger doch nicht der Grund. Der Vater trägt das Baby im Fliegergriff durch die Wohnung, der Föhn wird ausgepackt , genauso wie der Pezziball, um rhythmisch mit dem Baby zu wippen.

Eltern sind in völliger Verzweiflung sehr einfallsreich!

Oft führen aber all diese Versuche nur kurzfristig zum Erfolg und vor allem zu überlasteten Eltern. In der Praxis begegne ich häufig sehr fürsorglichen Eltern, die beim Weinen ihrer Babys in völligen Aktionismus verfallen. Viele berichten, dass sie sehr verunsichert sind und sich immer fragen, ob sie etwas falsch machen. Deshalb unternehmen sie noch mehr, werden hektisch und übertragen ihre Unsicherheit auf ihr Baby. Anstatt also das Kind durch die verschiedensten Maßnahmen zu beruhigen, wird es noch unruhiger – was transportiert wird, ist nicht die Aktion an sich, sondern das Gefühl, das damit einhergeht!

Das Baby weint – sind wir schlechte Eltern?

Es stimmt übrigens nicht, dass je schneller man sein Baby beruhigen kann, desto erfolgreicher  man als Eltern ist!

Wenn die Eltern akzeptieren können, dass Weinen zum Leben gehört und und ein Ausdrucksmittel ist, entspannt sich häufig die Situation. Weinen baut seelischen Stress ab. Wie soll ein Baby sich entspannen, wenn es seine Überforderung von den vielen Eindrücken dieser fremden Welt nicht ausdrücken darf und stattdessen einen Schnuller in den Mund gesteckt bekommt. Oder wenn es von seiner traumatischen Geburt nicht erzählen darf, sondern stattdessen mit einem Mobile abgelenkt wird.

Wichtig ist also, dem Baby zuzuhören, um zu verstehen, was es uns sagen will. Das braucht Ruhe und Zeit. Oft wird Eltern erst viel später klar, welch intensives Erlebnis die Schwangerschaft und die Geburt war – nicht nur für die Mutter, sondern auch für das Kind!  All das will verarbeitet werden. Es geht nicht darum, das Baby permanent zu beruhigen, sondern ihm Trost zu spenden. Es braucht unsere ganze Aufmerksamkeit, unser Verständnis für seinen Kummer, unsere Anteilnahme. So kann eine Mutter nichts daran ändern, dass die Schwangerschaft oder die Geburt schwierig war. Aber  die Mutter kann ihr Kind im Arm halten und sie können gemeinsam darüber trauen, dass es so war, wie es war.  Es geht darum, das Baby mit seinen unschönen Gefühlen zu begleiten, statt es abzulenken.

Das Kind in seinen Gefühlen ernst nehmen!

Vielleicht wiegen Sie Ihr Kind,  schauen ihm in die Augen und sagen  so etwas wie: “Ja, ich weiß, du hattest große Angst. Genau, es tut so gut, zu weinen.“

Statt: „Es ist alles gut“, „Es ist gar nicht schlimm“  (Ihr Baby würde nicht weinen, wenn es nicht schlimm wäre! Kein Kind weint, um seine Eltern zu ärgern) könnte man doch sagen „Puh… heute war wirklich ein anstrengender Tag. Jetzt verstehe ich, es war viel zu viel für dich. Gut, dass du mir sagst, dass es zuviel für dich war. Morgen gehen wir ganz lange spazieren. Das weiß ich schon, dass du das gerne magst!“

Wenn Ihr Baby sehr ausdauernd weint, sprechen Sie bitte mit Ihrem Kinderarzt! Protokollieren Sie die Schreiphasen. Das hilft dem Kinderarzt,  die Ursache zu finden.

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16 Dez

„Entspannte Eltern – entspannte Kinder“


Jetzt ist doch genau der richtige Zeitpunkt für eine kleine Entspannungsübung. Entspannte Eltern haben entspannte Kinder. Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl oder legen Sie sich auf Ihr Sofa.  Am besten benutzen Sie Kopfhörer und sorgen dafür, dass Sie in den nächsten 20 min nicht gestört werden. Und dann geht‘s los!

Diese kleine Meditation ist von Susanne Engemann. Mehr über Susanne Engemann erfahren Sie unter                           http://www.spirit-rebalance.de/

 

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30 Okt

„Immer mindestens eine Hand am Baby!“

Letzte Woche war Frau Müller (Name geändert) mit ihrer kleinen Tochter Nina (Name geändert), 4 Monate alt, bei mir in der Praxis. Nina hat eine Lieblingsseite. Sie guckt lieber nach rechts, deshalb kommt sie zu mir zur Physiotherapie.

Frau Müller ist noch immer sehr aufgeregt. Nina ist vom Sofa gefallen. Frau Müller kann es sich nicht erklären, wie das passieren konnte. Sie hat nur schnell die Haustür geöffnet, war nur ein paar Sekunden nicht bei Nina. Die Kleine bewegt sich noch sehr wenig und von Rückenlage in Bauchlage kann sie sich eigentlich noch nicht drehen, darum konnte die Mutter nicht davon ausgehen, dass Nina sich so rasch bewegt – aus ihrer Sicht.

Es hatte geklingelt, eine Freundin wollte die beiden zu einer Geburtstagsfeier abholen und sie waren spät dran. Frau Müller sah noch, wie Nina im Fallen mit dem Kopf gegen den Coachtisch stieß. Nina weinte fürchterlich und ließ sich nicht beruhigen. Die beiden Frauen fuhren statt zum Geburtstag in die Klinik. Glücklicherweise konnte der Arzt Entwarnung geben, Nina ist mit dem Schrecken davon gekommen.

Immer wieder höre ich solche und ähnliche Geschichten. Kinder fallen von Sofas, Betten, Wickeltischen und Sitzecken. Die Eltern machen sich schreckliche Vorwürfe. Klar wissen sie, dass man ein Baby nicht ungesichert alleine lässt. Weder, um die Haustür zu öffnen, noch um neue Windeln zu holen, etwas aufzuheben oder den Waschlappen nass zu machen. Und doch passiert es in Streßsituationen immer wieder, Menschen sind nun einmal keine Maschinen.

Eltern sollten darum unbedingt verinnerlichen:

  • immer mindestens eine Hand am Kind haben, wenn dieses ungesichtert ist – sprich, nicht in einem Kinderwagen liegt oder im Bettchen
  • es lässt sich nicht vorhersehen, wann ein Baby sich das erste Mal dreht, auch Babies, die sich eher langsam bewegen und entwickeln, werden sich irgendwann drehen
  • wenn der Zeitpunkt gekommen ist und sich das Baby das erste Mal selbstständig von der Rückenlage in die Bauchlage oder umgekehrt dreht, geht das blitzschnell!

Darum denken Sie immer daran: auch wenn die Situation gerade stressig ist, wenn Sie Ihr Baby kurz allein lassen müssen, legen Sie es sicher ab oder nehmen Sie es auf den Arm. Sicher ist sicher!

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29 Jul

„Smartphone und Co“

Ich glaube, in  jeder Familie gibt es Diskussionen über die digitalen Medien. Hier gibt es ein Interview mit Manfred Spitzer. Es lohnt sich, das Interview bis zum Ende zu hören. Vielleicht fällt es danach leichter, eine Entscheidung zu treffen?! Viel Spaß!

Hier gehts zum Video!

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20 Jun

„Macht unser Essen unsere Kinder krank?“

Nach Hochrechnungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) werden 2030 mehr als 50% aller Europäer übergewichtig sein. Ja, Sie haben richtig gelesen, jeder zweite Europäer wird nach den Vorhersagen in 13 Jahren übergewichtig sein. Adipositas gilt als Krankheit – demnach ist dann jeder zweite Europäer krank. Dazu kommen noch Folge-  und Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Arthrose und vieles mehr.

Warum geht die Entwicklung in diese Richtung? Macht unser Essen dick? Oder geht es vielmehr um das Essverhalten jedes Einzelnen? Oder ist es eine Mischung aus beidem, gepaart mit chronischem Bewegungsmangel?

Eltern können schon früh die Weichen für ein gesundes Essverhalten ihrer Kinder stellen. Denn Essgewohnheiten werden maßgeblich bereits im Kindesalter geprägt. Schon Babys zeigen, wenn sie satt sind. Sie hören auf zu trinken, lassen die Brust oder den Sauger los und drehen in der Regel den Kopf weg.

Wenn Kleinkinder nicht mehr gestillt werden oder das Fläschen bekommen, sollte dies auch weiterhin so funktionieren. Wenn das Kind nichts mehr essen will, ist es in der Regel satt. Eltern sollten ihren Kindern nicht ständig etwas zu essen anbieten. Das gilt auch für gesunde Lebensmittel!

Besonders durch kohlenhydratreiche Lebensmittel wird Insulin ausgeschüttet. Und Insulin senkt nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern baut auch aus Kohlenhydraten Fett auf. Wenn er niedrig ist, verbrennt man Fett. Ist er hoch, wird Fett aufgebaut. Der Mensch heute isst  im Durchschnitt 7,2-mal am Tag. Dadurch bleibt der Insulinspiegel ständig hoch. Es wird kein Fett verbrannt, sondern ständig an Gewicht zugelegt.

Auch Kinder müssen nicht permanent etwas zu essen in der Hand halten – Mahlzeiten und auch Zwischenmahlzeiten sollten im Sitzen gegessen werden, idealerweise mit der ganzen Familie. Dann können Erlebnisse ausgetauscht werden, die Kinder  können sich auf das Essen konzentrieren und haben Vorbilder, die das ebenso tun. Im Kindesalter lernen wir, wie Mahlzeiten „funktionieren“.

Wenn Babys weinen oder Kleinkinder quengeln, haben sie nicht immer Hunger. Oft sind sie müde oder wollen Aufmerksamkeit. Wenn Sie stattdessen immer etwas zu essen bekommen, verknüpfen sie das auch in ihrer weiteren Entwicklung – unangenehme Situationen werden mit Essen erledigt. Essen kann unser Nervensystem wunderbar beruhigen. Doch durch dieses Verhalten kann man schon früh in einen Teufelskreis aus „Frustration wird mit Essen bekämpft“ geraten. Vielleicht essen Sie auch Schokolade aus Frust oder die Tüte Chips zur Entspannung? Beim „emotionalen Essen “ wird eher gestopft als genussvoll gegessen.

Kennen Sie solche oder ähnliche Situationen?

Theo (4 Jahre) spielt mit seinen Tieren in der Küche, während die Mutter die Spülmaschine ausräumt.
Theo:“ Mama, Mama“
Mutter: „Ich kann gerade nicht, ich räume die Spülmaschine aus.“
Theo: „Mama! Ich habe ein Haus für die Tiere gebaut.“
Mutter: „Siehst du denn nicht, dass ich gerade beschäftigt bin?“

Theo sieht das, spielt weiter, fühlt sich dabei aber nicht wirklich wohl. Die Tiere interessieren ihn nicht mehr so.

Theo: „Mama, guck doch mal!“

Die Mutter ist jetzt ein wenig genervt, sie will die Küche noch fertig aufräumen.

Mutter: „Stör mich jetzt nicht, du siehst doch, ich bin noch nicht fertig!“

Theo geht es damit nicht gut, er möchte die Aufmerksamkeit seiner Mutter. Er sucht deshalb etwas, was wichtiger ist, als die Küche aufzuräumen.

Theo: „Ich habe Hunger!“
Mutter: „Dann nimm dir etwas zu essen.“
Theo: „Darf ich einen Keks haben?“

Die Mutter geht zum Schrank nimmt einen Keks und gibt Theo einen.

Theo:  „Zwei bitte!“

Die Mutter freut sich über das “ bitte“ und gibt ihm zwei.  Ratzfatz hat Theo die Kekse verputzt. Irgendwie ist er noch nicht glücklich, aber er hat gelernt, wie er die Aufmerksamkeit seiner Mutter bekommt. Er hat Hunger!

Grundsätzlich geschieht aus dieser Situation, wenn es eine Einzelsituation bleibt, nichts Schlimmes. Wir alle essen auch mal, wenn wir keinen Hunger haben. Wenn wir ein Eis essen,  essen wir das nicht aus Hunger. Ab und zu ist das kein Problem. Wenn wir allerdings häufiger aus „emotionalem Hunger“ essen, kann das zur Adipositas führen.

Ein weiterer Punkt ist natürlich mangelnde Bewegung – ein Phänomen, das in Europa zunimmt. Die Schulwege werden viel weniger zu Fuß erledigt als noch vor ein paar Jahren, Turnunterricht und Wandertage an Schulen werden gekürzt oder gestrichen. Morgens muss es schnell gehen. Wir fahren die Kinder zur Krippe, in den Kindergarten oder die Schule.  Radfahren und Laufen sind durch Autofahren oder öffentliche Transportmittel ersetzt werden.

Kinder werden teilweise im Buggy gefahren, obwohl sie bereits laufen können oder sie dürfen auf dem Buggyboard mitfahren. Das ist natürlich praktisch, weil sie nicht dauernd stehen bleiben, um sich irgendetwas anzugucken oder sogar in die “ falsche“ Richtung laufen. Doch wir tun damit unseren Kindern nichts Gutes!

Versuchen Sie, Gehen, Laufen und Radfahren wieder in den Alltag einzubinden. Gehen Sie mit Ihrem Kind über die Treppe, auch wenn es einen Aufzug gibt. Steigen Sie mal eine Busstation früher aus und gehen Sie mit Ihrem Kind ein Stück! Lassen Sie das Auto ab und an in der Garage – ersetzen Sie kurze Wege durch eine Fahrt mit dem Fahrrad. So bleiben wir alle in Bewegung und sehen die Stadt, das Dorf, unseren Wohnort auch wieder einmal aus einem anderen Blickwinkel!

Wieviel Schritte haben Sie heute gemacht? Kinder lernen durch Vorbilder. Und Übung macht den Meister!

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03 Mai

„Sinnvoll – voller Sinne“

Der Wald bietet bei jeder Jahreszeit viele tolle Spielsituationen. Jetzt werden die Tage wärmer und es macht vielleicht noch mehr Spaß, raus in die Natur zu gehen. Alles grünt und blüht. Für jedes Kind bietet der Wald einen tollen Bewegungsspielplatz! Spielen bedeutet lernen! Spielen bedeutet, die Welt zu entdecken. Durch Spielen erschaffen sich Kinder ein Bild von sich und ihrer Umwelt, was ihnen später in der Schule und im Leben hilft.

Verlässt man dann auch noch die befestigten Wege und geht querfeldein, ist es für die Kinder im Wald noch viel spannender. Schon das Gehen ist eventuell eine Herausforderung. Der unebene Untergrund schult das Gleichgewicht und die Tiefensensibilität. Wurzeln und Äste müssen überwunden werden und lassen die Kinder aufmerksamer gehen. Es gibt umgefallene Bäume, auf denen man balancieren kann, Verstecke, um gesucht zu werden, Bäume, die sich zum Klettern eignen. Vielleicht auch einen Bach, in dem man matschen oder über den man springen kann. Wenn die Beine noch zu kurz sind, braucht es eventuell ein paar Steine, die man geschickt plaziert, um das Wasser zu überwinden. Im Wald gibt es unendlich viele Bewegungsanreize, die auch immer wieder neu sind, im Gegensatz zu den genormten Spielplätzen, denn die Natur ist immer in Bewegung. Verändert sich, so wie wir uns verändern.

Je nach Alter des Kindes ist es vielleicht auch schön, eine Becherlupe mitzunehmen, um sich Käfer und andere kleine Tiere genauer anzusehen oder auch einen Korb, um Fundstücke zu sammeln.

Neben vielfältigen Erfahrungen für die Sensorik und Motrik wird so ein Spaziergang mit viel Spaß, mit  frischer Luft und einer gestärkten Immunabwehr belohnt. Außerdem gibt es bestimmt Anlässe, um den Umgang mit Tieren und Pfanzen zu thematisieren.

Den drei Kindern im Video sind noch mehr Spielideen eingefallen, die zur Nachahmung anregen!

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29 Mrz

„Warum ist krabbeln eigentlich wichtig?“

Viele Eltern wissen mittlerweile, dass das Krabbeln für die motorische Entwicklung eines Kindes sehr wichtig ist. Aber warum ist krabbeln eigentlich so wertvoll?

Das Krabbeln ist eine wichtige Vorstufe für Tätigkeiten, die wir im Alltag brauchen, wie zum Beispiel  die aufrechte Haltung , das Schreiben oder auch die Sprache.

Rumpfstabilität
In der Rückenschule gibt es viele Übungen im Vierfüßlerstand. Nicht ohne Grund! In der Krabbelstellung trainieren Sie wunderbar die Rumpfstabilität. Bei Kindern sollten die Unterschenkel und Fußrücken Kontakt mit dem Boden haben.

Kinder, die nicht gekrabbelt sind, haben als Erwachsene sehr häufig früh orthopädische Probleme, insbesondere Nacken- und Rückenschmerzen.

Tiefensensibiliät und taktiles System
Beim Krabbeln erfährt das Kind viel Druck auf die Hände. Dadurch bekommt es Informationen für die Tiefensensibilität, was für die Feinmotorik und die Stifthaltung beim Zeichnen und später beim Schreiben hilfreich ist.

Wenn das Kind auch über verschiedene Untergründe krabbeln kann, wie eine Wiese, Sand, Fliesen oder Teppich bekommt es außerdem noch unzählige Umweltinformationen für das taktile System.

Kreuzkoordination
Durch das Krabbeln erfahren Kinder die Kreuzkoordination. Arme und Beine müssen versetzt bewegt werden, wenn also das rechte Bein nach vorne geht, geht gleichzeitig der linke Arm vor. Wenn das linke Bein sich nach vorne bewegt, kommt der rechte Arm hinzu. Auch beim Gehen oder Rennen nutzen wir die Kreuzkoordination, sie ist wichtig für das Gleichgewicht.

Kinder, die nicht krabbeln,  haben später evtuell Probleme bei Überkreuzbewegungen wie zum Beispiel beim Schreiben (die rechte Hand muss nach links oben ans Blatt geführt werden – manche Kinder setzen sich deshalb schräg an den Tisch, um die Überkreuzung der Mittellinie zu umgehen). Oder es fällt den Kindern  schwer,  im Stehen den rechten Ellbogen ans linke Knie zu bewegen oder die rechte Hand an die linke Fußsohle, vor allem, wenn sie die Bewegungen nicht über die Augenkontrolle kompensieren können.

Sprache
Wie schon im letzten Blog beschrieben, stehen die Hände und die Sprache neurophysiologisch in einem engen Zusammenhang. So erklären sich auch manche Sprachauffälligkeiten bei Kindern, die nicht gekrabbelt sind.

Frühkindliche Reaktionen
Durch das Krabbeln integrieren sich auch frühkindliche Reaktionen, insbesondere der ATNR und STNR. Beide beeinträchtigen die Entwicklung, wenn sie persistieren.
Probleme können vom Zehenspitzengang, unzureichende Entwicklung der Visuomotorik über Schwierigkeiten beim Erlernen des Brustschwimmens bis zu Problemen beim Abschreiben von der Tafel in der Schule reichen.

In der Regel lernen alle Kinder krabbeln!
Nach Untersuchungen der ungarischen Kinderärztin lernen i.d.R. alle Kinder krabbeln, wenn sie nicht vorher vertikalisiert werden d.h. hingesetzt, hingestellt oder in Tragehilfen aufrecht getragen werden. Damit ist auch die Wippe, Buggy oder der Autositz gemeint. Diese Hilfsmittel sollten deshalb kein längerer Aufenthaltsort sein, auch wenn manche Kinder diese aufrechte Position sehr mögen. Trauen Sie sich der „große Erwachsene mit Weitblick“ zu sein. Später werden Sie Ihrem Kind wahrscheinlich auch nicht erlauben, statt Mittagessen nur Schokolade zu essen, obwohl es das so gerne möchte, oder?
Egal wie alt Ihr Kind  ist, Sie können ihm auch jetzt noch viele Anlässe geben zu krabbeln. Je nach Alter und Interessen können das Tierspiele sein, ein Kriechtunnel, Kartons, in die es reinkrabbeln kann, oder auch Hindernis-Parcours, die es laufend nicht bewältigen kann.

Jetzt krabbeln auch Erwachsene!

Auch der Sport hat die vielen positiven Eigenschaften des Krabbeln entdeckt. Aus Melborne kommt die neue Trendsportart: crawling

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14 Jul

„Ein Buchtipp von mir“

 

 

 

 

So sag ich’s meinem Kind

Wie Kinder Regeln fürs Leben lernen von Adele Faber/ Elaine Mazlish

 

Ich persönlich finde den Titel etwas verwirrend.

Auf der Rückseite steht über das Buch: “ Dieses Buch unterstützt Eltern und alle, die im Bereich Erziehung arbeiten, sich den Kindern in voller Aufmerksamkeit zuzuwenden und eine Sprache der Wertschätzung zu lernen, die tragfähige Beziehungen entstehen lässt. Mit vielen anschaulichem Fallbeispielen- gesammelt in über tausend Eltern-Workshops.“

Dadurch wird schon eher deutlich, um was es geht.

Das Buch ist in 7 Kapitel unterteilt:

1. „So helfen Sie Ihrem Kind, mit seinen Gefühlen umzugehen“

2. „So fördern Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Kind“

3. „Alternativen zur Bestrafung“

4. „So fördern Sie die Selbständigkeit Ihres Kindes“

5. „Lob “

6. “ So helfen Sie Ihrem Kind, sich selbst zu finden“

7. “ Der neue Weg“

Das Buch zeigt viele typische Alltagssituationen mit Zeichnungen und Sprechblasen. Es geht ums Aufräumen, Helfen, Teilen, Regeln einhalten …. Die Autorinnen zeigen, wie die Diskussionen zwischen Eltern und Kindern typischer Weise verlaufen und geben dazu Alternativen. Bei diesen Alternativen geht es, um einen wertschätzenden Umgang miteinander. Mich hat dieses Buch sehr bereichert, es ist leicht zu lesen und gibt vielfältige Anregungen.

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11 Mai

„Die Bauchlage“

In den ersten Lebenswochen ist für manche Babys die Bauchlage noch schwierig. Vielleicht gelingt die Bauchlage anfangs nur ganz kurz. Aber Übung macht den Meister! Eine Kollegin hat ein schönes Video gedreht. Es zeigt eine Möglichkeit, wie die Bauchlage für die Babys anfangs leichter ist. Das Handtuch sollte dabei richtig fest gerollt sein. Durch die Handtuchrolle wird das Gewicht weiter Richtung Becken verlagert, so können die Arme leichter stützen.

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11 Mai

„Transport von Babys“

Frau Schmidt (Name geändert) kam vor einiger Zeit mit ihrer Tochter Anna (Name geändert) in meine Praxis. Anna ist vier Monate alt. Sie hat  in ihren ersten Lebenswochen viel geweint.  Der Arzt meint, es seien drei Monats Koliken. Frau Schmidt hat Anna deshalb viel getragen.

Das viele Weinen konnte sie kaum ertragen und auf ihrem Arm ging es Anna viel besser. Jetzt hat sich die Situation deutlich entspannt. Anna weint viel weniger. Frau Schmidt hatte schon vor der Schwangerschaft mit Anna, Probleme mit ihrer rechten Schulter. Das viele Tragen hat die Schmerzen von Frau Schmidt verschlimmert.

Nach meiner Behandlung fragt mich Frau Schmidt: „Was halten Sie eigentlich von den Untergestellen für die Autositze, die man jetzt immer mehr sieht? Die scheinen ja ganz praktisch zu sein? Anna wird ja immer schwerer und zusammen mit dem Autositz fällt es mir sehr schwer, sie zu tragen. Wie haben das die Eltern eigentlich früher gemacht?“

Ja, früher gab es gar keine Autositze, sondern die Kinder sind in den Kinderwagenaufsätzen  transportiert worden. Bei dem Verkehr heute natürlich keine gute Idee mehr. Gut, dass es die Autositze gibt!  So können Babys sicher transportiert werden.

Aus meiner Sicht sollten sie allerdings so wenig wie irgendmöglich benutzt werden. Beim Transport im Auto gibt es heute leider kaum Alternativen, als ein Baby im Sitzen zu transportieren. Es gibt einige wenige Hersteller, die Sicherungssysteme anbieten, bei denen das Baby liegend im Auto mitfahren kann.

Beim Crashtest schneiden die meisten Sicherungssysteme, in denen das Baby liegt , allerdings nicht so gut ab. Bei diesen Systemen wird die Babyschale quer auf dem Rücksitz befestigt. Der ADAC hebt den „Römer Baby Safe Sleeper“ hervor. Er hat die besten Testergebnisse beim Crashtest.

Es ist also ein fast notwendiges Übel, das Kind sitzend zu transportieren.

Aus meiner Sicht sehr ungünstig, besonders für alle Kinder, die sich noch nicht alleine aufsetzen können:

  •  die Muskulatur ist noch nicht ausreichend entwickelt, um die Wirbelsäule zu stabilisieren
  • häufig schlafen die Kinder im Auto ein und sie hängen völlig schief im Gurtsystem
  • die Babys haben kaum Bewegungsmöglichkeiten, die aber sehr entscheidend für die weitere Entwicklung sind
  • frühkindliche Reflexe werden verstärkt, statt überlagert

Gründe genug, um Ihr Baby so wenig, wie irgendwie möglich, in den Autositz zu setzen, oder?! Die Untergestelle für die Autositze verlängern die ungünstige Position für Ihr Baby. Im Kinderwagen kann es den Körper viel besser entdecken, es kann sich mehr bewegen, es ist vor den vielen Reizen von außen viel besser geschützt und die Wirbelsäule wird nicht belastet.  Ein Kind sollte, solange bis es sich alleine aufsetzen kann, möglichst liegend transportiert werden! Also auch nicht im Buggy.

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